5. Mai: Gedenktag gegen Gewalt und
Rassismus im Gedenken an die Opfer
des Nationalsozialismus
Ein Projekt im Rahmen der gedenk_potenziale Innsbruck.
Was hat Provokation mit dem Nationalsozialismus zu tun?
Gewalt und Provokation war ein Mittel der NSDAP und ihrer Verbände die Straßen zu erobern. Die Arbeiter:innen in der einst „roten“ Gemeinde Hötting empfanden es im Mai 1932 als Provokation, als die NSDAP im Gasthaus „Goldener Bär“ eine Veranstaltung abhielt. Es kam zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung. Ein SA-Mann verstarb, mehrere Personen wurden verletzt. Die „Höttinger Saalschlacht“ wird bis heute kontrovers diskutiert.
Eine der Akteur:innen war die Kommunistin Thusnelda Bucher. Sie stellte sich ebenfalls gegen die NS-Veranstaltung und erlitt dabei eine Verletzung. Ihr blieb eine Narbe auf der Stirn
Sie engagierte sich für eine gerechte Gesellschaft und war aktiv gegen Faschismus und Nationalsozialismus. Nach dem „Anschluss“ 1938 wurde sie ins KZ Ravensbrück deportiert. Sie überlebte und nahm ihre politische Arbeit in der kommunistischen Partei in Innsbruck wieder auf.
Wir tragen Verantwortung dafür, die Geschichte des Widerstands in Erinnerung zu behalten und für eine solidarische Gesellschaft einzutreten.
1932 häufte sich die politische Gewalt in Österreich. Vor allem zwischen Sozialdemokrat:innen und Kommunist:innen auf der einen und Nationalsozialist:innen und der Heimwehr auf der anderen Seite. Die katastrophale wirtschaftliche Situation und die zugespitzte politische Lage am Vorabend eines austrofaschistischen Regimes forcierten die Konfrontationen. So auch in Innsbruck. Die Höttinger Saalschlacht zeugt davon.
Der große und der kleine Rahmen
Anfang der 1930er Jahre war eine wirtschaftlich schwierige Zeit. Vor allem für jene, die keine Arbeit hatten oder wenig verdienten. Das ist sie für diese Personen fast immer, aber die konkreten Umstände waren es, die es noch schwieriger werden ließen. Was war passiert? Ende der 1920er Jahre kam es zu einem leichten Wirtschaftsaufschwung und Österreich hatte beinahe in allen wirtschaftlichen Bereichen das Vorkriegsniveau (also vor 1914) erreicht. Doch dann krachten einige Banken. Berühmt ist der Schwarze Freitag an der New Yorker Börse 1929, der eine weltweite Wirtschaftskrise auslöste. Kurz davor jedoch ging in Österreich eine der ältesten und wichtigsten Banken, die Boden-Creditanstalt (B-CA), pleite. Leichtfertige Kreditgewährung, riskante Finanzgeschäfte, das übliche Spiel. (vgl. Berger 2008: 111) Daraufhin wurde Baron Louis Rothschild, Hauptaktionär der größeren Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe, bedrängt, die insolvente Bank zu übernehmen. Damit glaubte man, die Krise zu überwinden, doch die Folge war, dass nun auch diese Bank in Schwierigkeiten geriet. Schließlich kam es zur großen Bankenrettungsaktion von Seiten des Staates. Die Folgen waren Reduktion der Staatsausgaben, Gehaltskürzungen bei Beamten, Steuererhöhungen usw. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) stimmte, obwohl sie als mandatsstärkste Partei in Opposition war, den Maßnahmen der bürgerlichen Regierungskoalition zu.
Die Arbeitslosigkeit stieg rasant an. 1932 lag sie in Österreich bei 468.000 Menschen, ein Drittel davon war ausgesteuert, d.h. diese Menschen bekamen keine Arbeitslosenunterstützung mehr.
Auch in Tirol stieg die Zahl der Arbeitslosen von 9.893 (1928) auf 15.389 im Februar 1932 und weiter auf 17.573 im Folgejahr. (vgl. Walser 1983: 18)
Für den ländlichen Raum kam für die Arbeiter:innen verschlimmernd hinzu, dass beispielsweise die Land- und Forstwirtschaft nicht im Arbeitslosensystem integriert war und dass das Land in Zonen mit unterschiedlichen Berechnungsmustern für das Arbeitslosengeld eingeteilt war. Dies „verhinderte die Gewährung von einheitlichen Unterstützungsansätzen und benachteiligte die Arbeitslosen im ländlichen Raum“ (Mc Loughlin 1990: 54)
Wie sah es nun aber politisch aus? Aufgrund dieser wirtschaftlichen Turbulenzen und sozialpolitischen Einschränkungen war die Stimmung schon länger gereizt bis feindselig, vor allem zwischen den politisch linken und den konservativen bzw. rechten Kräften im Parlament, aber auch auf der Straße. Ein besonders drastisches Ereignis war in diesem Zusammenhang der Brand des Justizpalastes im Jahre 1927.
Regiert wurde Österreich seit 1920 von einer bürgerlich konservativen Koalition. Österreichweit war jedoch die Sozialdemokratie die stärkste Partei, 1930 lag sie bei 41 %. Auch die sozialdemokratisch geprägten „freie Gewerkschaften“ waren eine starke Massenbewegung. Otto Bauer, der Parteivorsitzende der SDAP, glaubte zu diesem Zeitpunkt noch, dass der kriselnde Kapitalismus bald zusammenbrechen werde und anschließend mit einer parlamentarischen Mehrheit im Rücken der Sozialismus aufgebaut werden könne. Zu spät bemerkte er, dass es zu diesem Zeitpunkt eigentlich nur mehr darum ging, die Demokratie in Österreich zu verteidigen.
Was die 1. Republik noch charakterisierte, waren die paramilitärischen Verbände, die sich Anfang der 1920er Jahre gründeten. Auf der christlich-konservativen bis faschistischen Seite war es im Westen und Süden die Heimwehr, die sich im Osten Frontkämpfervereinigung nannte. Zentral war der Kampf gegen die marxistisch geprägte Arbeiter:innenbewegung. Auf Seiten der Sozialdemokratie agierte der eher defensiv ausgerichtete Republikanische Schutzbund und später die Arbeiterwehr der Kommunistischen Partei.
Nun ein Blick nach Hötting. Die Gemeinde war damals eigenständig und wurde mit seinen 12.000 Einwohner:innen auch als das „größte Dorf Österreichs“ bezeichnet. (Mc Loughlin 1990: 59) Die Bewohnerstruktur war bäuerlich und proletarisch – vor allem lebten dort Bauarbeiter, Zimmerleute und Eisenbahner. Die Sozialdemokratie hatte hier die 4. Kompanie des Innsbrucker Schutzbundes und auf Seiten der Heimwehr gab es die vom Obsthändler Rudolf Penz geführte ‚Gausturmkompanie Hötting‘. Die sogenannte „Penz-Platte“ wird mehrfach als äußerst gewalttätig beschrieben. Ihre „brutalen und kriminellen Handlungen“ trugen „viel zu den gereizten politischen Verhältnissen im Ort“ bei. (Mc Loughlin 1990: 59) Politisch gab es in Hötting nach der Wahl 1929 eine Pattsituation. Sowohl die SDAP und auf der anderen Seite die Volkspartei, die Großdeutsche Partei, der Landbund und die unpolitische Wirtschaftspartei hatten jeweils 14 Mandate. Ein Los entschied, dass der Sozialdemokrat Alois Kohl Bürgermeister werden sollte. Dies war er auch am 27. Mai 1932.
Die Saalschlacht
Was ist nun genau an diesem Tag geschehen? Liest man die Zeitungsberichte aus dieser Zeit, vom christlich-konservativen Tiroler Anzeiger, von der sozialdemokratischen Volks-Zeitung oder von den Innsbrucker Nachrichten, die 1938 zum NSDAP Parteiorgan wurden, hat man das Gefühl, Artikel von verschiedenen Ereignissen zu lesen. Die Schuldzuweisungen fliegen hin und her, wie zuvor die Fäuste. Der Historiker Michael Gehler hat in den späten 1980er Jahren das Ereignis anhand von Polizei- und Regierungsberichten aufgearbeitet, etwas später schrieb der Historiker Mc Loughlin aus einer etwas anderen Perspektive darüber. Diese beiden Artikel dienen auch hier als wichtige Quellen. Der Verlauf selbst ist schnell geschildert:
„Am 21.Mai 1932 meldete die ‚NSDAP-Hitlerbewegung Westgau‘ bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, dass der Parteigenossen Theo Stadler aus Salzburg über das Thema ‚Gebt Arbeit statt Almosen!‘ mit dem Einladungshinweis ‚Juden bleiben zu Hause!‘ am 27. Mai 1932 in Hötting im Gasthof ‚Bären‘ um 20 Uhr sprechen wolle.“ (Gehlen 1988: 273)
Der Gasthof Goldener Bär war ein traditioneller sozialdemokratischer und kommunistischer Veranstaltungsort und Hötting galt als rote Gemeinde. Daher wurde diese Veranstaltung von den linken Arbeiter:innen als Provokation aufgefasst.
Eine Störaktionen wurde geplant. Einerseits wurde im naheliegenden Gasthaus Reiter in Mariahilf eine Protestveranstaltung abgehalten, andererseits waren Arbeiter:innen vor Beginn im Vortragssaal. Zu Veranstaltungsbeginn war dieser bereits zu zwei Drittel mit Sozialdemokrat:innen und Kommunist:innen besetzt. Ein paar Hakenkreuzler in Zivil waren ebenfalls anwesend. Als ein SA Trupp geschlossen in den Saal einmarschierte, ertönten Schmäh- und „Heil-Hitler“ Rufe. (vgl. Gehlen 1988: 280) Dabei blieb es nicht lange. Kurz darauf kam es zu tumultartigen Ausschreitungen. Berichtet wird von mit Haselnussstöcken „bewaffneten“ Schutzbündlern, Schlagstöcke, Knüppel und Messer kamen zum Einsatz, Flaschen und Stühle flogen durch die Luft. Insgesamt wurden 30 Personen teils leicht und teils schwer verletzt. Die Rettung brachte mehrere Menschen ins Krankenhaus, der SA-Mann Sylvester Fink erlag dort seinen Verletzungen.
Die Auseinandersetzung ging auch vor dem Gasthof weiter, selbst die heillos überforderte Gendarmerie und die Rettung wurden angegriffen. Erstere schaffte es kaum, die beiden Streitparteien zu trennen. Später wurde die Militärassistenz Innsbruck zur Unterstützung angefordert. Schließlich setzten sich die staatlichen Kräfte durch und die „Gendarmerie Hötting übernahm die Aufgabe, die Nationalsozialisten im geschlossenen Zug durch die Höttingergasse in die Stadt zu führen. An der Stadtgrenze wurde sie von der Stadtpolizei übernommen und bis in die Müllerstraße zu ihrem Parteiheim begleitet“. (Gehler 1988: 278)
Auch in Innsbruck gab es nachts noch Zusammenstöße und Verletzte. Von Seiten der Behörde und der Stadtregierung wurde mehrheitlich die Sozialdemokratie beschuldigt, die Gewalteskalation bewusst herbeigeführt zu haben, vor allem auch der Schutzbund und dessen Führer Gustav Kuprian. Zu diesem Schluss kam auch der Historiker Michael Gehler. Sein Kollege Mc Loughlin führte indes noch „lokalspezifische Momente“ an, die „zu einer Zuspitzung der politischen Spannung“ geführt hätten. So sollen sozialistische Jugendliche Monate zuvor von der SA misshandelt worden sein und am Vortag der Versammlung wären Nationalsozialisten „Schmählieder auf die Sozialdemokratie singend“ (Mc Loughlin 1990: 60) durch Hötting gezogen. Fakt ist auch, dass die NSDAP nach diesem Ereignis eine Ortsgruppe in Hötting gründete, die einen immensen Zulauf hatte. Auch bei den Gemeinderatswahlen im Herbst gingen die Nazis gestärkt hervor. (vgl. Schreiber 2003)
Wer waren die Akteur:innen dieser Saalschlacht? Was kann man von ihnen erzählen?
Ein Opfer - Täter Reigen
Thusnelda Oberleitner/ Bucher
In den Zeitungen wurden die verletzten Personen aufgelistet – geordnet nach ihrer politischen Zugehörigkeit. Eine Name fällt auf: Thusnelda Oberleiter. Der einzige Frauenname. Die Innsbrucker Nachrichten vom 28. Mai 1932 reihen sie unter die „Marxisten“ ein.
Thusnelda Oberleitner
(geb. Held) spätere Bucher war Kommunistin. Sie wurde am 10. Juli 1898 in Wien geboren und wuchs in einem evangelisch-bürgerlichen Milieu auf. Nachdem ihr Verlobter Johann Oberleitner zum Militärdienst nach Innsbruck kam, zog sie ebenfalls dorthin. In Innsbruck bekam sie ihr erstes Kind und später näherte sie sich der kommunistischen Bewegung an. 1930 trat sie der KPÖ bei und wurde Funktionärin im Frauenreferat. Nach der Trennung von Johann heiratete sie den Parteigenossen Romed Bucher und bekam ihr zweites Kind. Ihr Mann war in der Zeit des Austrofaschismus oder Ständestaats illegal politisch aktiv, wurde verhaftet und kam ins Anhaltelager Wöllersdorf. Von ihr sind keine Aktivitäten bekannt, es ist jedoch naheliegend, dass sie darin involviert war. 1936 ging Romed Bucher für zwei Jahre in die Sowjetunion. Nach dem so genannten Anschluss Österreichs an NS-Deutschland wurde er ins KZ Dachau verschleppt. Was Thusnelda Bucher in dieser Zeit machte, inwieweit sie illegal aktiv war, ist nicht bekannt, da, soweit es die Recherchen zeigen, sie nicht aktenkundig wurde. Am 1. September 1939 wurde sie jedoch verhaftet und ins KZ Ravensbrück deportiert. Ende April 1945 wurden die Lagerinsassen auf einen Evakurierungsmarsch, auch Todesmarsch genannt, geschickt. Auf dem Weg konnte sie fliehen und sich im Wald verstecken. Anschließend kehrte sie in das von der Roten Armee befreite Lager zurück, und arbeitete dort in der Küche, bis sie mit ihren Genossinnen die Heimreise antreten konnte. Romed Bucher überlebte das KZ ebenfalls. Nach 1945 waren beide wieder in der Kommunistischen Partei aktiv. Thusnelda Bucher verstarb am 1. Juli 1970 In Innsbruck. Von der Höttinger Saalschlacht blieb ihr eine Narbe auf der Stirn. (vgl. Stepanek)
Sylvester Fink
Was weiß man von jener Person, die bei der Höttinger Saalschlacht durch einen Messerstich und mehrere Tritte getötet wurde? Silvester Fink war ein 56jähriger Fleischhauergehilfe und Mitglied der SA. Im Tiroler Anzeiger wurde am 21.10.1932 auf Seite 3 berichtet:
„Sylvester Fink, welcher der zweiten (…) Reserveabteilung zugeteilt war, befand sich, als die Saalschlacht begann, noch im Verbindungsgange in der Nähe der in den Garten hinabführenden Stiege, dort erhielt er auch den tödlichen Stich.“
Der Trauerzug anlässlich seines Begräbnisses wurde zum Aufmarsch der NS-Verbände durch die Stadt. Die nationalsozialistische Bewegung hatte ihren Märtyrer. In einem Schreiben an die Gauleitung der NSDAP drückte Heimwehrführer Richard Steidle sein Beileid aus und gab „der Hoffnung Ausdruck“, dass die beiden „Bewegungen in Hinkunft stets Schulter an Schulter gegen den gemeinsamen Feind stehen werden.“ (Gehle 1988: 290) Der gemeinsame Feind war die Sozialdemokratie. Nach dem so genannten Anschluss wurde die Schneeburggasse in Sylvester-Fink-Straße umbenannt und 1939 fand zu seinen Ehren ein Gedächtnismarsch statt, mit einer Kranzniederlegung durch den damaligen Gauleiter Franz Hofer. Für das NS-Regime galt Sylvester Fink als „Blutzeuge“ der NS-Bewegung.
Ludwig Zonta
Als Täter wurde Ludwig Zonta, ein 40jähriger Maurer, überführt. Der Tiroler Anzeiger vom 28. Mai 1932 stellt ihn als „gerichtsbekannten Raufbold“ und „arbeitslosen Maurer“ dar. Zonta bestritt die Tat. Vor Gericht gab er an, ein Messer, das einem angreifenden Nazi, nachdem er ihm einen Tritt versetzt hatte, aus der Hand fiel, in die Menge geworfen zu haben. Er selbst wurde an der Hand verletzt. Daher findet sich sein Name ebenfalls in der Lister der verletzten „Marxisten“. Das Gericht verurteile ihn zu 8 Jahren schweren, verschärften Kerker.
Dieses Urteil „war wegen seiner Härte beispiellos in der Geschichte der 1. Republik. Man brachte Zonta in die Strafanstalt Garsten, die er erst im April 1937 bedingt auf 5 Jahre verlassen durfte.“ (Mc Loughlin 1990: 60)
Nach dem „Anschluss“ wurde Ludwig Zonta erneut verhaftet und gefoltert. Anschließend kam er ins KZ Dachau, später nach Buchenwald. Er überlebte. „Die ihm zugefügten Mißhandlungen machten jedoch nach Kriegsende eine Beinamputation notwendig, die schließlich zu seinem Tod führte“ (Mc Loughlin 1990: 61). In seinen siebenseitigen KZ Erinnerungen beschrieb er sich als „Schutzbündler und fanatischer Gegner der Nazis“ (Mc Loughlin 1960: 60)
Rudolf Penz
Warum wird hier der Kompaniekommandant der Höttinger Heimwehrformation erwähnt? Weil er Täter war und ebenso Opfer. Seine Truppe war nicht nur gefürchtet, sondern in unzählige Krawalle, Schlägereien und Übergriffe verwickelt oder hatten diese angezettelt – oft gegen linke Arbeiter:innen aber auch gegen Jugendliche. Er war ein Akteur in der gewaltsamen politischen Auseinandersetzung auf den Straßen Tirols zu jener Zeit. Sein Vorbild waren die italienischen Faschisten. Dies galt generell für die Heimwehr. Der Christlichsoziale Landtagsabgeordnete und bundesweite Heimwehrführer Richard Steidle propagierte einen autoritären Staat und war Wegbereiter des Austrofaschismus. Rudolf Penz unterstützte diesen Weg und machte ihn gewaltsam frei. Wenn auch nicht an jenem 27. Mai 1932. Aber davor und danach. Rudolf Penz wurde nach dem so genannten Anschluss verhaftet und ins KZ Dachau deportiert, wo er auch verstarb.
Politische Gewalt
29 Todesopfer forderten die Kämpfe zwischen den linken (sozialdemokratisch und kommunistisch) und den faschistischen Verbänden (Heimwehr, Frontkämpfer, NSDAP) von 1923 bis 1933 in Österreich. Zu ihnen zählen 13 Sozialdemokraten, 2 Kommunisten, 3 Heimwehrmänner und 7 Nationalsozialisten. (vg. Mc Loughlin 1990: 49) Zu Beginn der 1920er waren vor allem kämpfende Heimwehrtrupps in Auseinandersetzungen mit „Marxist:innen“ verwickelt, später meist Nationalsozialisten.
„Im Zuge der Entwicklung der Heimwehr, vor allem aber der NSDAP, in Richtung Massenbewegung waren deren Gewaltakte gegen die Arbeiterschaft wesentliche Bestandteile einer Strategie der Konfrontation. Aufmärsche, Umzüge und die Abhaltung von Versammlungen in proletarischen Vierteln seitens der NSDAP führten unweigerlich zu schweren Zusammenstößen. In der Endphase der 1. Republik traten die Arbeiter, im Gegensatz zu früher, solchen provokatorischen Herausforderungen jetzt entsprechend ausgerüstet und vehementer entgegen.“ (Mc Loughlin 1990: 50)
Vor allem in den Städten häuften sich die Auseinandersetzung. Sie wurden härter und gewaltvoller ausgetragen. In den ländlichen Gemeinden in Tirol, dort, wo weder die SDAP noch die NSDAP „über eine starke Anhängerschaft verfügten“, war es „durchwegs noch Usus, dass eine Art ‚Nichtangriffspakt‘ zwischen den beiden bestand.“ (Mc Loughlin 1990: 51) Dies galt für Innsbruck oder Hötting nicht (mehr). In einer Liste der tödlichen Zusammenstöße, die Mc Loughlin zusammen gestellt hat, wird sichtbar, dass sich gerade in den Jahren 1932 und 1933 diese häuften. In diesen beiden Jahren, in denen die wirtschaftliche, soziale und politische Krise einen Höhepunkt erreichte, wurden 10 Personen in politischen Auseinandersetzungen in Österreich getötet. Unter ihnen befand sich auch der Höttinger Silvester Fink.
Im Jänner 1933 ergriffen die Nationalsozialisten unter Kanzler Adolf Hitler die Macht in Deutschland, im März 1933 endete der Parlamentarismus in Österreich. Der Schutzbund wurde verboten, im Mai die Kommunistische und im Juni die Nationalsozialistische Partei. Die Niederlage nach den Kämpfen im Februar 1934 bedeutete auch eine Ende der Sozialdemokratie. Unter dem Kanzler Engelbert Dollfuß verschmolzen die Christlichsoziale Partei, der Landbund und die Heimwehr zur Vaterländischen Front und etablierten in den folgenden Monaten und Jahren das austrofaschistische Regime. Politische Gewalt ist nicht nur das Resultat von Provokationen, sondern ist vor allem den ökonomischen, sozialen und politischen Verhältnissen geschuldet.
Literatur und Quellen
Berger, Peter (2008): Kurze Geschichte Österreichs im 20. Jahrhundert. Wien: facultas.wuv.
Gehler, Michael (1988): „Wir werden es den Nazis zeigen!“ Die Höttinger Saalschlacht vom 27. Mai 1932. In: Thomas Albrich/Klaus Eisterer/Rolf Steininger (Hrsg.), Tirol und der Anschluß. Voraussetzungen, Entwicklungen, Rahmenbedingungen 1918-1938 (Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte 3), Innsbruck
Mc Loughlin, Barry (1990): „Das intensive Gefühl, sich das nicht gefallen lassen zu dürfen“: Arbeiterschaft und die Gwaltpraxis der NSDAP, 1932-1933, in: Rudolf G. Ardelt/ Hans Hautmann (Hg.): Arbeiterschaft und Nationalsozialismus in Österreich, Europaverlag Wien
Schreiber, Horst (2003): Gustav Kuprian (1897-1953) – Führer des Republikanischen Schutzbundes, aus: Horst Schreiber, Sozialdemokratie in Tirol. Die Anfänge und unter: https://www.horstschreiber.at/texte/gustav-kuprian-1897-1953-fuehrer-des-republikanischen-schutzbundes/ (aufgerufen am 18.4.2024)
Stepanek, Friedrich: Thusnelda Bucher. OsterreicherInnen im KZ Ravensbrück. https://www.ravensbrueckerinnen.at/?page_id=2596, (aufgerufen 19.04.2024)
Walser, Harald (1983): Die illegale NSDAP in Tirol und Vorarlberg 1933-1938, Europaverlag Wien
Zeitungen:
Volks-Zeitung, Nummer 121 vom 28. Mai 1932
Tiroler Anzeiger, Nummer 121 vom 28. Mai 1932
Tiroler Anzeiger, Nummer 122 vom 30. Mai 1932
Innsbrucker Nachrichten, Nummer 120 vom 27. Mai 1932
Innsbrucker Nachrichten, Nummer 121 vom 28. Mai 1932
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